![]() |
![]() Sonderkonzert "Paulus" 03.05.2007 Pirna, Marienkirche von rls
Für dieses Sonderkonzert hatte sich eine "Elballianz" gebildet: Die Neue Elbland Philharmonie hat ihre Wurzeln in Meißen und Pirna, während der Chor der Hochschule für Musik "Carl Maria von Weber" in der zwischen Meißen und Pirna gelegenen sächsischen Hauptstadt Dresden residiert; auch die bei den insgesamt vier auf dem Plan stehenden Aufführungen des Mendelssohn-Oratoriums "Paulus" zu Werke gehenden Dirigenten stammen allesamt aus dem hochschulischen "Fundus". Der beim Auftakt der Mini-Serie am Pult befindliche Jörg Genslein studiert wie seine KollegInnen der Aufführungen 2 und 3 (jeweils Teil 1) an der Hochschule bei Hans-Christoph Rademann, der dann der Aufführung 4 komplett und von Aufführung 2 und 3 jeweils dem 2. Teil vorsteht. Gensleins Leistung an diesem Abend in Pirna ist wie die weiter Teile des Orchesters allerdings äußerst schwer zu bewerten, und das liegt hauptsächlich am Klangverhalten in der riesigen Halle der Marienkirche, die einen beim erstmaligen Betreten als primäre "Amtshandlung" allein schon aus optischen Gründen für einige Sekunden komplett plättet und sich als akustisch sehr stark divergierend erweist, wie der Rezensent experimentell feststellt. Im ersten Teil sitzt er nämlich im Mittelschiff ganz hinten in der letzten Reihe, und dort fließen viele Instrumentallinien förmlich ineinander, was zwar dem durchaus werkimmanenten romantischen Schmelz an der einen oder anderen Stelle sogar gut tut, aber auch dazu führt, daß zahlreiche Feinheiten verlorengehen, die wenigen sägenden Parts der Streicher längst nicht so zackig ankommen, wie man sich das wünschen würde, die Pauke irgendwo im akustischen Untergrund vor sich hin poltert, der Glanz des Bleches unterwegs abblättert und die Solisten textseitig mit einer Ausnahme (dazu gleich mehr) nur deshalb zu verstehen sind, weil man den Text im Programmheft mitlesen kann. Ganze Silben des Chores verhallen irgendwo in dem riesigen umbauten Raum bzw. kommen zumindest nicht hinten an, und daß die akustische Balance zwischen Chor, Orchester und Solisten nicht selten auch in eine gefährliche Schieflage gerät, verwundert ob der vorgenannten Schilderungen sicherlich nicht. Der Rezensent wechselt also zum zweiten Teil seinen Platz, sitzt am linken Rand des Mittelschiffs ungefähr in der zehnten Reihe - und siehe da: Ideal ist das Klangbild dort immer noch nicht (zumindest nicht für gewandhausverwöhnte Ohren), aber deutlich besser als hinten und damit auch eine detailliertere Einschätzung ermöglichend. Und die bringt vor allem den mit einer dreistelligen Kopfzahl aufwartenden Chor ein gutes Stück nach vorn, bei dem jetzt zu hören ist, daß die meisten der schnellen, abgehackten und im ersten Teil oft fehlenden Silben mit gutklassiger Präzision umgesetzt werden. Daß viele dieser Parts überhaupt nötig werden, muß Mendelssohn seinem Textdichter Julius Schubring zuschreiben, der sich nicht selten einige metrische Freiheiten gönnte und den Komponisten damit vor diverse Herausforderungen stellte, aber auch ansonsten bisweilen recht unkonventionell zu Werke ging. Immerhin handelt es sich ja um ein Oratorium über das Schaffen des Apostels Paulus, aber der kommt im kompletten ersten Viertel der summiert reichlich zwei Stunden gar nicht vor, statt dessen wird das Wirken des Märtyrers Stephanus behandelt - der stellte zwar eine nicht unwichtige strukturelle Grundlage für das Schaffen von Paulus dar, aber dafür kommt eben das Schaffen von Paulus recht kurz weg, da die zweite Hälfte des ersten Teils der Schilderung von Pauli Bekehrung gehört und somit nur noch der zweite Teil für einen "Tätigkeitsbericht" verbleibt, der sich folgerichtig auch auf wenige (von Mendelssohn selbst allerdings mit ausgewählte) Szenen beschränkt und einige allgemein bekannte und beliebte Aktivitäten aus der Biographie des Apostels zum Unwillen sowohl mancher Zeitgenossen als auch mancher Rezipienten späterer Perioden nicht umsetzt. Andererseits wird das missionarische Grundanliegen auch durch die letztendlich umgesetzte Ausformung in deutlicher Weise transportiert, wobei komischerweise noch niemand die oberflächlich betrachtet antijüdischen Elemente explizit herausgearbeitet hat, deren In-Töne-Gießung durch einen reformjüdischen Komponisten auf den ersten Blick paradox anmuten könnte. Aber über solche Fragen könnte man stundenlang philosophieren, was hier in diesem Rahmen nicht getan werden soll und nur noch der Hinweis gegeben sei, daß sich Mendelssohn hier im relativ früh entstandenen "Paulus" (die "Bestellung" des Werkes durch den Frankfurter Cäcilienverein datiert von 1831, als der Komponist gerade 22 Jahre alt war) einem rein neutestamentlichen Thema zugewandt hat, während der "Elias" als sein letztes Oratorium eine vom Appendix abgesehen rein alttestamentarische Geschichte behandelt (der "Lobgesang" fällt wieder anderweitig aus dem Rahmen).
|
![]() |
![]() |