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Frank Schäfer: Heavy Metal. Geschichten, Bands und Platten
von rls anno 2002
Dieses Buch hat seit seinem
Erscheinen einiges an Schelte einstecken müssen, und diese läßt
sich grob in zwei Hauptrichtungen untergliedern. Zum einen handelt es sich
nicht etwa um ein Bandlexikon oder gar ein Nachschlagewerk (das versucht
uns zwar der Verlagsinfotext weiszumachen, aber diese Attribute treffen
nur in marginalem Maße auf die 250 Seiten zu), sondern um eine eher
literarischen Ansprüchen folgende Abhandlung, und trotzdem wurde Schäfer
eine ans Selbstherrliche grenzende Subjektivität vorgeworfen, welche
in diesem Zusammenhang jedoch schlechterdings existentiell ist. Klar kann
man sich drüber aufregen, wenn Schäfer Pain
Of Salvation als billige Dream Theater-Kopie abqualifiziert, und auch
ich pazifistischer Mensch habe an manchen Stellen das Bedürfnis, mit
dem Autor genauso zu verfahren, wie es dieser angesichts des von ihm zu
Recht diagnostizierten geistigen Sondermülls in weiten Teilen der
(textlich abgegrenzten) Black Metal-Szene mit besagten Protagonisten tun
möchte: den Sack (mit diesen Bands oder eben mit dem Autor) oben zubinden
und mit einem Knüppel ordentlich durchbimsen. Aber gerade solche Reibungspunkte
machen letztlich den Reiz der ganzen Sache aus und sorgen dafür, daß
man sich intensiver mit dem Buch befaßt, anstatt es durchzulesen
und mit einem leichten "Jaja, ist so"-Nicken ad acta zu legen.
Und damit
wären wir auch schon bei der zweiten Hauptstoßrichtung der Kritikaster:
Unleserlich sei die Sprache Schäfers, abgehoben gar und natürlich
auch selbstherrlich bis zum Ende. Gut, der gemeine Durchschnittsbanger,
den alle Musik jenseits von Motörhead intellektuell überfordert,
wird wirklich seine Probleme haben mit Schäfers barocken Vergleichen
und Satzgebilden (daß jedes dritte Wort "Vanitas" heißt, darf
als Wink mit dem Zaunpfahl gewertet werden), und ein Fremdwörterlexikon
sollte man vor dem Lesen auch verspeist haben. Wer also schon mit Matthias
Herr (der - auch das ein deutlicher Hinweis - selbstredend im Literaturverzeichnis
nicht fehlen darf) seine Probleme hatte, für den ist Schäfers
Schreibstil wahrscheinlich vollends ungenießbar. Allerdings hat man
an einigen Stellen tatsächlich den Eindruck, Schäfer schreibe
barock um des Barocken willen, während Herr grundsätzlich auf
bodenständigen Grundfesten verbleibt.
Und was steht nun eigentlich
drin im Buch? Einleitenden Gedanken über den Heavy Metal an sich (also:
Was ist das eigentlich? Was gehört da alles dazu? Wer hört sowas?)
folgen sieben Bandbiographien, mit denen wichtige Evolutionsstufen des
Heavy Metal verdeutlicht werden (man hätte vielleicht noch eine achte
anfügen sollen, nämlich Slayer oder Death als wegweisende Entwickler
für die ganz harte Ecke - aber Schäfer ist musikalisch relativ
rückwärtsschauend veranlagt, das merkt man zwischen den Zeilen
und auch anhand der generellen Bandauswahl recht deutlich): Black Sabbath
(mit denen Schäfer extrem hart ins Gericht geht), Kiss, AC/DC, Judas
Priest, Motörhead, Iron Maiden und schließlich Metallica. Die
"exemplarische Plattensammlung" wird wohl bei jedem anders aussehen, aber
das erwähnt Schäfer schon in seiner Einleitung des Kapitels:
Dies ist eben ein Einblick in SEINE Sammlung und nicht in die von Heinz
Krause, Georg Müller oder Florian Schmidt. Relativ überflüssig
kommen die beiden letzten Hauptkapitel daher: Livereviews und mehr oder
weniger aktuelle Plattenrezis haben für meine Begriffe generell in
(für die Ewigkeit bestimmten) Büchern einen eher zweifelhaften
Platz, auch wenn sie das Bild in einigen Fällen noch abrunden helfen
und exemplarisch anhand der "Monsters Of Rock" 1988 in Bochum verdeutlichen,
wie aus einem stinknormalen Headbanger ein Publizist wurde (das steht natürlich
nicht so im Text, aber lest mal ein bißchen zwischen den Zeilen).
Summa summarum ist die Sache
mit Schäfers Buch ganz einfach: Es segelt als Nachschlagewerk unter
völlig falscher Flagge (was die meisten seiner Kritiker schlicht und
einfach übersehen haben) und ist als literarische, aber trotzdem realitätsnahe
Abhandlung des Phänomens "Heavy Metal" recht brauchbar, auch wenn
ich immer noch nicht weiß, ob ich's eher zum In-die-Ecke-Werfen oder
zum Reuig-wieder-von-dort-Rausholen finden soll.
Frank Schäfer: Heavy Metal. Geschichten, Bands und Platten. Leipzig: Reclam 2001. 250 Seiten. ISBN 3-379-01737-X. 9,90 Euro
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