von rls
"Funde, die es nicht geben dürfte" heißt eine derzeit in Leipzig gezeigte archäologische Ausstellung mit Funden, die der gängigen Lehrmeinung widersprechen. In Analogie dazu wären Angband eine Band, die es nicht geben dürfte - im Heimatland der Band, dem Iran, ist Heavy Metal offiziell nicht existent. Aber der Underground brodelt auch dort und gibt schrittweise einige Geheimnisse preis, so etwa das nun vorliegende Debütalbum Angbands, in einem Studio in Teheran aufgenommen und gemischt, lediglich das Mastering erledigte Ex-Mind Odyssey-Gitarrist Rocco Stellmacher in Deutschland, und für die Veröffentlichung zeichnet schließlich ein kleines, aber feines erzgebirgisches Label namens Pure Steel Records verantwortlich. Chefdenker Mahyar Dean (zuständig für Gitarre, Baß und den Löwenanteil des Songwritings) trägt auf dem Bandfoto ein Shirt von Death, aber Death Metal gibt es trotz vereinzelter harscher Vokaleinwürfe in den 36 Minuten nicht zu hören - die Dankesliste gibt den richtigen Hinweis, denn gleich hinter der Familie Chuck Schuldiners steht Tim Aymar verzeichnet, der bei Chucks Zweitband Control Denied gesungen hatte. Selbige Formation produzierte progressiven Power Metal, und ebenjenem widmen sich nun auch Angband, die mit ihrem Sound ungefähr in einer imaginären Schnittmenge aus Iced Earth und den erwähnten Control Denied liegen. Ein Kunststück besonderer Art bringt dabei Sänger Ashkan Yazdani fertig, denn er kann wahlweise wie Tim Aymar, wie Matt Barlow oder wie John Greely (letztere beiden derzeit bzw. einstmals bei Iced Earth aktiv) singen. Man lausche mal genau auf den halbakustischen Part ab Minute 3 in "Flaming Sight" - das ist quasi original Iced Earth der Barlow-Periode. Angband können also exakt kopieren, wenn sie wollen - aber sie nehmen die großen Namen über weite Strecken nur als Orientierungshilfe und positionieren sich selbstbewußt in deren Nähe. Wer weitreichende Einflüsse aus der persischen Folklore erwartet, wird hier nicht fündig - auch das kurze Akustikinstrumental "The Eyes" (in solchen Stücken verarbeitet man derartige Einflüsse gängigerweise) hätte in ähnlicher Form durchaus einem Hirn der Ungläubigenwelt entsprungen sein können; inwieweit die Melodik hier persische Elemente enthält, muß ein diesbezüglich geschulter Musikwissenschaftler entscheiden. In den sechs metallisch glänzenden Songs gibt es so etwas gleich gar nicht - aber es verarbeitet ja auch nicht jede deutsche Band hanseatische oder bayrische Folklore, insofern sollte man diesbezüglich mit Erwartungshaltungen an ausländische Bands vorsichtig sein. Von der Rhythmik her liegen Angband näher am progressiven Ansatz Control Denieds - die verschrobenen, wenngleich bei näherer Betrachtung gar nicht so komplizierten Rhythmen von "Lighter Days" wird nicht jeder Iced Earth-Anhänger vertragen, während beispielsweise "Flaming Sight" partiell etwas geradliniger gestrickt ist. Aber auch hier bekommt der gemeine Power Metal-Anhänger von dem, was Ramion Rahimi trommelseitig unter das Hauptsolo legt, Herzrhythmusstörungen. Der siebente Song "The King's Command" ist eine Art überlanges Outro in der Bauart des Titelsongs von Morgana Lefays "The Secret Doctrine" (ausführlich eingeleitet hier allerdings als klassisches Metalinstrumental), und hier werden Folkloresucher zumindest lyrisch fündig - es geht um den persischen König Cyrus, in dessen Reich bereits vor 2500 Jahren eine Art Frühform der Menschenrechtsdeklaration galt. Eine solche Botschaft auf einem Album einer iranischen Metalband birgt natürlich politischen Sprengstoff in sich (so nach dem Motto: Die waren in Persien vor 2500 Jahren schon fortschrittlicher und toleranter als wir heute im Iran ...), so daß sich am Undergroundstatus Angbands in absehbarer Zeit wohl wenig ändern wird, ja besser wenig ändern sollte, um die Bandmitglieder vor Konsequenzen wegen uniranischen Verhaltens zu bewahren. Da haben wir's in Mitteleuropa doch deutlich einfacher, wenn wir unsere Lieblingsmusik hören oder selbst ausüben wollen, und jeder, der sie benutzt, um damit eine Form des Totalitarismus zu unterstützen (welche auch immer), sollte seinen Denkapparat einschalten (falls noch vorhanden), ob er damit nicht den Bock zum Gärtner macht. Angband sind jedenfalls allein schon aufgrund ihres Status jedweder Unterstützung wert, auch wenn man fairerweise festhalten muß, daß ihnen in rein musikalischer Hinsicht außer dem erwähnten "Flaming Sight" noch kein absolutes Glanzlicht gelungen ist - aber ihr Material unterschreitet ein gewisses Niveau nicht, gute Ideen scheinen immer wieder durch (etwa der begeisternde Stakkatospeedausbruch in "Look Into The Abyss", der sich immer weiter steigert), sie wissen spieltechnisch, was sie tun, und die etwas drucklose Produktion (ein Baßsound ist über weite Strecken allenfalls latent anwesend) ist den Entstehungsumständen des Albums geschuldet und läßt sich mit einem Griff zum Lautstärkeregler zumindest ansatzweise kompensieren. So ist "Rising From Apadana" nicht allein aus dem Grund kaufenswert, daß man auch eine iranische Metalband in der Sammlung stehen haben sollte, sondern auch weil es eine gute Platte ist, die zudem noch ein achtminütiges Video mit einem Making Of enthält, aus dem man lernt, daß es in iranischen Undergroundstudios auch nicht anders aussieht als in solchen im Rest der Welt, was angesichts der Rahmenbedingungen als Kompliment zu werten ist (Technikkenner können auch noch bewerten, was da so rumsteht ...).
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