von rls
Darren Wharton spielte das letzte halbe Jahrzehnt vor der Bandauflösung Keyboards bei Thin Lizzy und begann sich auch als Co-Songwriter von Phil Lynott zu profilieren. Nach dem vorläufigen Ende der Band gründete er eine eigene Band namens Dare, zu der auch ein Gitarrist namens Vinny Burns gehörte. Der tat sich Jahre später mit Gary Hughes zusammen, und beide veröffentlichten zusammen unter dem Bandnamen Ten etliche starke Melodic-Rock-Alben, wobei auch Basser Shelley und Drummer Greg Morgan einstmals bei Dare gespielt hatten. Wharton wiederum veröffentlichte dann und wann weitere Dare-Alben in wechselnden Besetzungen und beteiligte sich an einer der Revitalisierungsbesetzungen Thin Lizzys, aus der dann die Black Star Riders wurden, da man unter dem alten Bandnamen keine neuen Alben veröffentlichen wollte. Das BSR-Debüt "All Hell Breaks Loose" entstand allerdings bereits ohne Wharton, der sich anderen Projekten widmen wollte, u.a. eben seiner eigenen Formation Dare, zu der seit einiger Zeit auch wieder Vinny Burns gehört und mit Bassist Nigel Clutterbuck ein weiterer Musiker, der schon zu frühen Zeiten, nämlich auf dem 1991er Zweitling "Blood From Stone", zur Band gehörte. "Sacred Ground" ist das mittlerweile achte Dare-Album, allerdings das erste, das hier aus der Stereoanlage erschallt, so daß Direktvergleiche mit den Vorgängern zumindest anhand eigenem Höreindruck unterbleiben müssen. Dafür sind aber welche in eine andere Richtung möglich: Wer sich noch an Ten-Meisterwerke wie "The Robe" oder "Babylon" erinnert, der hat möglicherweise noch den Fakt im Ohr, daß Burns dort sehr intensiv mit Leadgitarrenlinien arbeitete, und zwar nicht allein in den Soloparts, sondern besonders auch in den Strophen und Refrains - dort wimmelte es nur so vor Parallelmelodien oder Zusatzstrukturen in den Breaks, ohne daß das Resultat freilich überladen wirkte, sondern man stets das Gefühl behielt, daß das, was Burns da spielte, als Bereicherung zu werten war. Und genau dieses Stilmittel findet man nun auf "Sacred Ground" wieder, ungeachtet der Tatsache, daß Dare im Gegensatz zu Ten nur mit einem Gitarristen arbeiten. Wie Burns das live macht, müssen diejenigen Menschen beurteilen, die Dare schon einmal auf der Bühne erlebt haben, zu denen der Rezensent freilich nicht gehört. Interessanterweise ist Wharton als Alleinkomponist der elf neuen Songs angegeben, aber ob Burns an den Arrangements beteiligt war und daraufhin diese Gitarrenlinien einbastelte oder ob Wharton, der Ten selbstredend kennen dürfte, das Material von vornherein in diese Richtung ausarbeitete, kann dem Leser bzw. Hörer eigentlich auch egal sein, solange das Ergebnis stimmt. Und hier liegt der Hase ein wenig im Pfeffer: "Sacred Ground" ist ein gutes Album mit einigen sehr guten Anflügen, aber von einem Geniestreich Marke "Babylon" ein Stück weit entfernt. Möglicherweise hätte Wharton sich einfach noch mehr trauen müssen: Fast alle Songs dauern vier Minuten plus/minus ein paar wenige Sekunden, aber der Opener "Home" bringt es auf 4:45, ist etwas ausladender arrangiert, geht von einem ruhigen Intro schrittweise in härtere Gefilde über, wobei die mehrstufige Steigerung geradezu lehrbuchreif ausfällt - und prompt herrscht hier eine Spannung, die über weite Strecken des restlichen Albums fehlt, so gut die Leistungen dort auch sein mögen und manches gekonnte Detail entdecken lassen, etwa die Orchesterarrangements in "Strength", die aber gerne noch weiter in den Vordergrund hätten rücken dürfen. Aus dem stilistischen Rahmen fällt nur "Until", das mit keltischen Melodien samt entsprechenden Whistles (allerdings wohl keyboarderzeugt, da das Booklet keinen hierfür zuständigen Musiker angibt, auch keinen Gastmusiker) arbeitet und auch ziemlich eingängig ausfällt. Solche Einflüsse sind freilich nichts Neues im Dare-Kosmos, und Wharton hatte auch während seiner Thin-Lizzy-Zeit schon ausgiebig Gelegenheit, sich mit dieser musikalischen Welt auseinanderzusetzen. Daß er eingängigen guten Melodic Rock schreiben kann, beweist er auch auf "Sacred Ground" wieder, und ein guter Sänger (der stimmlich interessanterweise gar nicht so weit von Gary Hughes entfernt liegt) ist er auch. Wem das genügt, der bekommt eine knappe Dreiviertelstunde Bereicherung für seine entsprechende Kollektion geliefert, aber man wird das Gefühl nicht los, daß hier auch ein richtiges Highlight hätte entstehen können. Vielleicht findet sich ein solches ja unter den anderen sieben Dare-Studioscheiben (ein Livealbum existiert auch noch), die der Rezensent bei passender Gelegenheit einem Hörtest unterziehen wird.
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