www.Crossover-agm.de DEJA VU: Bullets To Spare
von rls

DEJA VU: Bullets To Spare   (Karthago Records)

Iron Maiden hatten auf ihrem 1986er Album "Somewhere In Time" neben dem besten Song der Bandgeschichte, "Alexander The Great", auch einen immer noch guten, wenngleich nicht ganz so herausragenden namens "Deja-Vu" verewigt, doch dieser sollte scheinbar nicht zur Inspiration für den Namen werden, den sich diese Truppe hier gab, obwohl sie sich in ebenjenem Jahr 1986 gründete, denn die Initialzündung gab es der Fama nach bei einem Overkill-Gig, und das frühe Material der Truppe soll auch noch etwas thrashlastig gewesen sein, was ich mangels Besuchs damaliger Gigs oder des Besitzes einer von 500 Exemplaren der 1990er Single "Back To The City" nicht verifizieren kann; auch fehlen mir Informationen, inwieweit es sich bei den 12 regulären Tracks des nun vorliegenden Albums "Bullets To Spare" um neues Material oder Neueinspielungen von bereits damals komponiertem Stoff handelt. Möglich wäre beides, denn der Stil ist derart zeitlos, daß man ihn keinesfalls in irgendeine metallische Periode einordnen kann. Somit muß auch offen bleiben, ob der heranfliegende hohe Schrei in "Evil" auf eine Inspiration Deja Vus durch Judas Priests "Bullet Train" (1997) zurückgeht oder ob es theoretisch von der Chronologie her eher anders herum gewesen sein könnte. Deja Vu spielen traditionellen Metal mit allem, was dazugehört bzw. (man kann das auch umdrehen) ohne alles, was nicht dazugehört, und trotzdem bringen sie das Kunststück fertig, daß man vielleicht noch nicht beim ersten Hördurchlauf alles verstanden hat, ja sogar (wie es dem Rezensenten passiert ist) etliche Durchläufe braucht, um festzustellen, daß unter der stilistischen Staubschicht ein entdeckenswerter metallischer Diamant funkelt. Klar, keins der Riffs ist irgendwie neu, der Drummer spielt in vielen Songs vergleichsweise wenige Breaks, und die Songtitel lesen sich, als ob man eine Coverscheibe im Player hätte. "We'll Burn The Sky" entpuppt sich allerdings als melodischer Speedie typisch deutscher Mittachtziger-Bauart (hat also mit den Scorpions wenig am Hut), "Evil" besitzt auch keine Ähnlichkeiten mit Mercyful Fate, und "Bloodsucker" walzt sich mit großer Massivität und starkem Beckeneinsatz aus den Boxen, wie es Deep Purple niemals gewagt hätten (hier gibt's übrigens nochmal so einen Schrei wie in "Evil" zu hören, diesmal aber von unten hochgezogen und damit "Bullet Train" sogar noch ähnlicher). Das dem Intro folgende "Wings Of Steel" könnte auf den ersten Blick auf Verwandtschaften zu den ähnlich traditionalistisch gepolten Pegazus hinweisen, die sich beim Hören des über sechsminütigen Songs aber als Irrläufer erweisen, denn die starke Siebziger-Orientierung von Pegazus (auch wenn das niemand so richtig wahrhaben will) fehlt Deja Vu, die statt dessen hier auch mal ganz kurz ein atmosphärisches Keyboard einen Teppich ausrollen und sogar den Bassisten mal solieren lassen - erstgenanntes Stilmittel wird im Solo von "Bloodsucker" noch einmal wiederkehren und trägt genau so viel zur Atmosphäre bei, daß man es als integralen Songbestandteil anerkennt, ohne deshalb gleich "Verrat am Heavy Metal!" schreien oder aber befürchten zu müssen, daß Deja Vu vom Pfad der reinen metallischen Lehre abweichen würden (das Booklet gibt nicht mal an, wer denn besagte Keyboards eingespielt hat). Wenn man kein konsequent ewiggestriger Hörer ist, könnte nach der Hälfte des Albums etwas Langeweile eintreten, da sich Deja Vu strenggenommen nur auf geringfügige Variationen ihres eng fixierten Sounds beschränken (einzig das dann doch leicht krumme "Arimatea" fällt leicht aus dem Rahmen, stört aber nicht nur nicht, sondern macht sogar richtig Spaß), aber andererseits kann man das auch als geschlossene Leistung interpretieren und sich über ein schönes Melody-Riff wie im Intro zu "Nightmare" freuen, das über einen kleinen keyboard- oder gitarrensimulierten Effekt in einen galoppierenden Banger überleitet, dessen Refrain man wie viele andere der CD schon nach dem ersten Hören irgendwie mitpfeifen kann. Überhaupt muß Werner Kerschers Gesang mal positiv hervorgehoben werden, denn der Mann klingt erfreulicherweise ganz und gar nicht hölzern-deutsch oder gar krachledern-bayrisch, sondern durchaus international konkurrenzfähig, und er paßt mit seiner halbhohen, bei Bedarf auch leicht angerauhten, sirenenhaften oder mal kurz brüllenden, aber ansonsten erfreulich sauberen Stimme hervorragend zum Sound der Band, die dadurch beispielsweise potentiellen Anhängern von Grave Digger, die sich aber mit Chris Boltendahls Stimme nicht anfreunden können, gefallen könnte. Daß die Lyrics nicht mehr als puren Klischeestoff bieten, vergißt man da gern. Bei der Betrachtung der Gitarrenarbeit ergibt sich ein ähnliches Kombinationsbild: Die Riffs sind nicht übermäßig kompliziert und wie schon erwähnt alles andere als neu (allerdings auch bei weitem nicht so grundtönig veranlagt wie auf Grave Diggers Alben der Lulis-Phase), aber wenn mal ein Solo ansteht, dann beweist Timo Zach, daß er entweder bei den Leadgitarristen, die die Band in den Achtzigern hatte, gut aufgepaßt hat oder auch per Eigenleistung zu durchaus phantasievollem Spiel gelangt ist (momentan hat die Truppe nur einen Gitarristen, nämlich ihn; ob Werner Kerscher live auch noch zur Gitarre greift, wie er das in den Embryonaltagen der Band getan haben soll, weiß ich nicht). Das originale Album, erschienen 2005 als Eigenproduktion, endete noch mit "Skullcrusher" als Song 13, mittlerweile sind die Bajuwaren aber bei ihrem Landsmann Stefan Riermaier untergeschlüpft, und dessen Re-Release ist noch um zwei gecoverte Bonustracks erweitert worden, deren Wahl wenig überrascht: In gerade mal zwei Minuten wird S.O.D.s "United Forces" (nein, keine Hommage an das mittlerweile verblichene eifelanische Zine) heruntergehobelt, das verdeutlicht, daß die Wurzeln Deja Vus damals im Thrash lagen, und bereits zuvor hat man sich den bereits mehrfach im Text erwähnten Grave Digger gewidmet und deren Uralthymne "Heavy Metal Breakdown" eingespielt, die sich fast nahtlos ins restliche Songmaterial einfügt. Wie gesagt: Wer musikalische Innovationen sucht, ist mit "Bullets To Spare" denkbar schlecht beraten, wer einen gutklassigen Tribut an die musikalische Vergangenheit haben möchte, darf getrost zugreifen - nur sollte er im Laden oder beim Onlinebestellvorgang genau aufpassen, denn es gibt eine ganze Handvoll Bands, die sich ebenfalls für den Namen Deja Vu oder Deja-Vu entscheiden haben. Wenn man aber das Cover vor sich sieht, dürfte mit dem abgebildeten Patronengurt wohl keine Verwechslungsmöglichkeit mehr bestehen.
Kontakt: Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de; www.dejavu-metal.de

Tracklist:
Fall Of The Brave
Wings Of Steel
Catch Me If You Can
Evil
We'll Burn The Sky
Bloodsucker
One By One
Nightmare
Hate In My Soul
Pain
Highlander
Arimatea
Skullcrusher
Heavy Metal Breakdown
United Forces
 



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