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EAV: Werwolf-Attacke! (Monsterball ist überall!!) Teil I
von rls

EAV: Werwolf-Attacke! (Monsterball ist überall!!) Teil I   (Ariola)

Daß die Erste Allgemeine Verunsicherung in den Achtzigern hauptsächlich als Ulkrockband wahrgenommen wurde, lag einerseits daran, daß die diversen Singlehits in ebenjene Kategorie zu fallen schienen (und das bisweilen auch wirklich taten), andererseits aber auch daran, daß man den doppelten Boden einiger dieser Singlehits (man erinnere sich an "Heiße Nächte in Palermo" oder "Küß die Hand, schöne Frau") zu übersehen pflegte (oder nicht in der Lage war, diese wahrzunehmen). Als weiterer Faktor trat hinzu, daß die Treffsicherheit außerhalb der besagten Singlehits gerade auf den als groß geltenden Alben der Spätachtziger gewissen Schwankungen unterworfen war und eigentlich erst "Neppomuk's Rache" von Anfang bis Ende musikalisch wie textlich zu überzeugen wußte ("Einer geht um die Welt" inhaltlich mal ausgeklammert). Freilich packte die Band auch schon früher sehr ernste Themen an (man erinnere sich an "Total verunsichert" oder "Afrika (Ist der Massa gut bei Kassa)"), und das hat sich bis heute nicht geändert.
Jüngstes Beispiel: das neue Album "Werwolf-Attacke! (Monsterball ist überall!!)", dessen Deklaration als Teil I mindestens einen weiteren erwarten läßt. Und wenn der so treffsicher ausfällt wie die erste Hälfte des vorliegenden Albums, darf man sich auf ihn freuen: Chefdenker Thomas Spitzer schießt wieder in alle möglichen Richtungen und rechnet gleich im eröffnenden Titeltrack mit einer ganzen Latte von Mißständen und unliebsamen Personen von FPÖ-Obmann Strache bis zu "Mörtel" Lugner ab, beschränkt sich aber weder in diesem noch vielen der Folgesongs aufs heimische Österreich, wie das textlich eher collagenhafte, aber gleichfalls enorm treffsichere "Pfeif drauf" unter Beweis stellt - und das finanzielle Thema samt entsprechender Wachstumskritik ist eh global, wie "Bankrott" unter Beweis stellt. Ein ganz heißes Eisen packt Spitzer mit "Scharia-Ho" an, in dem er aus "Lustig ist das Zigeunerleben" mal eben "Lustig ist's Salafistenleben" macht und in wenigen Zeilen seine Abneigung gegen bestimmte Ausprägungen des ultrakonservativen Islam so treffend artikuliert, daß einem das Lachen im Halse steckenbleibt. (Detail am Rande: Die Band hat sich auf der Tour zum Album auch getraut, diesen Song in ein "Islamisten-Medley" einzubauen, das u.a. noch aus "Ein Stein, der deinen Namen trägt" bestand.) "Scharia-Ho" wäre durchaus zuzutrauen, daß es ein Eigenleben in neurechten Kreisen zu führen beginnt, die Spitzer, wie bereits im genannten Opener an erster Stelle angeführt, genausowenig mag; die Geschichte wird zeigen, ob ihm der Kampf gegen seine eigene Kreation im unliebsamen Kontext erspart bleibt. Aber das Problem hatte Hubert von Goisern, wenngleich mit einem anderen Songhintergrund, auch schon.
Rein musikalisch betrachtet ist "Werwolf-Attacke! (Monsterball ist überall!!)" enorm vielfältig ausgefallen, und auch hier zeigt sich das Talent Spitzers sowie der verschiedenen beteiligten Produzenten und Arrangeure, jede textliche Aussage adäquat musikalisch auszugestalten. So wird der Titeltrack zur fast gothicmetalverdächtigen Hymne, "Theater um die Kunst" oberkrainert an der Grenze zum Dixie munter vor sich hin (passenderweise ist eine Truppe namens SOKO Dixie als Gastmusiker beteiligt), "Dame Europa" kommt griechisch daher, und "Babuschka" hätte auch von einer der vielen russischen Speedfolkbands stammen können. Dazu kommen eingängige Poprockhymnen wie "Pfeif drauf" oder "Bankrott", wobei ersteres demonstriert, daß die Musik in der Priorität bei der EAV oftmals an zweiter Stelle steht - ansonsten wäre das schöne Hauptsolo sicherlich komplett ausgearbeitet und nicht noch vor Erreichen der zu erwartenden Klimax schnöde ausgeblendet worden. Nur in fünf Songs, so sagt das Booklet, ist ein echter Drummer zu hören, aber der Unterschied zwischen diesem und seinem elektronischen Bruder ist in diesem Kontext vernachlässigbar, auch wenn Rockpuristen natürlich hier und da graue Haare bekommen werden. Aber damit wären wieder die genannten Prioritäten angesprochen.
Die obengenannte Einschränkung läßt erahnen, daß die zweite Hälfte des immerhin 20 Songs umfassenden Albums, beginnend schon knapp vor der Mitte mit dem eher orientierungslosen "Was ist los", der ersten nicht das Wasser reichen kann. Auch hier findet sich mit dem raubbaukritischen "Zugriff" oder dem "Unscheinbaren Bua", der erst zum Nazi und dann zum Amokläufer wird, noch so mancher Treffer, und die melancholischen Hymnen "La Loba" und "Der oide Wolf" mag man den auch nicht mehr ganz jugendlichen Bandköpfen (von der klassischen Achtziger-Besetzung ist neben Spitzer noch Sänger Klaus Eberhartinger dabei) durchaus gönnen, aber nur mit der Bemerkung, daß in diesem Genre auf dem zu erwartenden Folgealbum sicherlich noch mehr geht. "Lederhosen-Zombies" hätte man vielleicht besser ins neue Repertoire von Heino transferiert, und "Mrs Fuckushima" versucht krampfhaft, den seinerzeit skandalumwitterten Klassiker "Burli" zu übertrumpfen, was bereits im Ansatz scheitern mußte. So mischt sich der eine oder andere Wermutstropfen ein, und man wäre durchaus auch mit geringfügig weniger Songs zufrieden gewesen. Aber die große Anzahl von Treffern macht die einstündige CD zweifellos erwerbenswert, zumal man sowohl textlich als auch musikalisch bei jedem neuen Durchlauf noch weitere interessante Details entdeckt, die man in der Ideenfülle bisher nicht wahrgenommen hatte.
Kontakt: www.eav.at, www.ariola.de

Tracklist:
Werwolf-Attacke!
Bankrott
Der erhobene Zeigefinger
Pfeif drauf
Theater um die Kunst
Dame Europa
Hunger
Scharia-Ho
Babuschka
Was ist los
La Loba
Unscheinbarer Bua
Maschine
Mrs Fuckushima
Notkäppchen
Sado Lilly
Zugriff
Monsters Of Trachtenball
Lederhosen-Zombies
Der oide Wolf
 




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