www.Crossover-agm.de FLAMING ROW: Mirage - A Portrayal Of Figures
von rls

FLAMING ROW: Mirage - A Portrayal Of Figures   (Progressive Promotion Records)

Während Kollege Tobias Audersch das Konzeptalbum "The?Book" von Seven Steps To The Green Door sehr hoch einschätzte und die Rockoper "Elinoire" von Flaming Row weniger hoch, liegen die Verhältnisse beim hier tippenden Rezensenten genau umgekehrt. Nun liegt der zweite Streich von Flaming Row vor, eingespielt in der gleichen Grundquartettbesetzung wie das Debüt und selbiges storythematisch fortsetzend - auch wenn das ganz zu Anfang noch nicht so geplant war, soll zunächst eine Rockopern-Trilogie entstehen, und "Mirage - A Portrayal Of Figures" bildet deren zweiten Teil. Wer mag, kann jetzt die Anknüpfungspunkte an den ersten suchen - während es damals höchst irdisch und etwas spirituell zuging, befinden wir uns jetzt im Sci-Fi-Bereich, wenngleich immer noch mit gewissen philosophischen Grundfragen, etwa derjenigen, was man als übergeordnete Ordnungsinstanz mit einer Gruppe von Lebewesen anfangen soll, die große Macht in den Händen hält, aber keinerlei Ahnung hat, wie sie diese vernünftig anwenden soll. Parallelen zur politischen Situation in Deutschland und der Welt zum Rezensionszeitpunkt sind purer Zufall - das Album ist bereits im Frühjahr 2014 erschienen, als noch niemand die Bedeutung der Buchstabenkürzel AfD oder Pegida kannte und Donald Trump noch mit Schönheitsköniginnen oder seiner steuersparenden Stiftung beschäftigt war. Daß die Geschichte eine zusätzliche Dimension bekommt, indem die Gruppe der Lebewesen eine positive und die Ordnungsinstanz eine negative Figur implantiert bekommt, erhöht nicht nur die Komplexität, sondern auch die Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Geschichte - und die Gastmusikerliste wird auch länger. Zehn Gesangsrollen sind diesmal besetzt, und da von den festen Bandmitgliedern nach wie vor nur zwei singen, nämlich Kiri Geile und Bandkopf Martin Schnella, kommen folglich acht Gastsänger hinzu, teils alte Bekannte vom Debüt wie die beiden Shadow-Gallery-Kämpen Gary Wehrkamp und Brendt Allman oder Anne Trautmann von Seven Steps To The Green Door, aber auch Neuzugänge wie Simon Moyton von Cryptex oder Ted Leonard von Enchant. Unter den vierzehn Gastinstrumentalisten finden sich Wehrkamp und Allman gleich nochmal, und auch dort umfaßt die Liste sowohl aus dem FR-Kontext Bekannte wie Jimmy Keegan von Spock's Beard als auch Neuzugänge wie Haken-Keyboarder Diego Tejeira oder Gero Drnek von Fury In The Slaughterhouse. Nun machen viele Gäste bekanntlich noch keine gute Party, aber daß Schnella in der Lage ist, die Fähigkeiten all dieser Menschen konstruktiv und bereichernd einzusetzen, darf vom Debüt als bekannt vorausgesetzt werden, und so versagt er auch auf dem Zweitling nicht. Der dauert übrigens auch wieder fast genau 80 Minuten, aber die Grundstruktur ist völlig anders als auf dem Debüt: Statt 18 Songs gibt es diesmal nur acht, und die beiden 16 bzw. 18 Minuten dauernden Teile von "A Portrayal Of Figures" rahmen das Werk, dessen Zusammengehörigkeit durch die mannigfache Verarbeitung eines zentralen musikalischen Themas, das bereits früh eingeführt wird, noch deutlicher wird als auf dem Debüt. Die Stilvielfalt bleibt aber natürlich auch auf dem Zweitling erhalten und wird sogar noch etwas ausgedehnt: Mit allem Möglichen zwischen Melodic Rock und fettem Prog/Power Metal konnte man ja sowieso rechnen, und selbst die Country-Anflüge kehren in der Einleitung des zwölfminütigen "Journey To The Afterlife" wieder. Aber angefunkten Rock wie in "Alcatraz" kannte man in dieser Ausprägung von Flaming Row bisher noch nicht, auch die keltischen Elemente nehmen etwas mehr Raum ein, Shoutgesang (nicht rappend!) tritt an wenigen Stellen hinzu, und ob es einen Zufall darstellt, daß in "Journey To The Afterlife" mal kurz Backingvokalstrukturen auftauchen, die auch die Münchener Freiheit mit Kußhand übernommen hätte, darüber darf man gerne philosophieren. Auch klassische Rock'n'Roll-Strukturen kannte man von Flaming Row bisher nicht, und wüßte man nicht, daß "Mirage" früher erschienen ist als "Exlex Beats" von King Of Agogik, so könnte man beinahe vermuten, das "Vogelhochzeit"-Zitat in "Journey To The Afterlife" sei als kleines Augenzwinkern in diese Richtung gedacht gewesen. Die härteren Metalparts sind diesmal, wohl der großräumigeren Struktur geschuldet, noch etwas flüssiger ins Gesamtbild eingebaut und dominieren etwa weite Teile von "Memento Mori", wo sich Nachwuchsdrummer die Arme verknoten können, wenn sie nachzuspielen versuchen, was Niklas Kahl hier abliefert. Daß auch der Vierte im Bunde, Marek Arnold, sein Scherflein zur herrschenden Klang- und Ideenvielfalt beiträgt, ist selbstverständlich, auch wenn Saxophon, Klarinette und Flöten wenig übergreifend tragende Wirkung entfalten, von der Ballade "Pictures" mal abgesehen, die einen der wenigen ausgedehnteren Ruhepunkte des Albums markiert, einer zu besinnlichen Stimmung allerdings schon mit dem plötzlichen rhythmisch versetzten Choreinsatz in der ersten Strophe entgegentritt, und kurz vor Minute 5 beschleunigt sich das Tempo dann immer weiter, um kurz vor Minute 6 in den wohl ergreifendsten Moment des Albums zu münden, die Wiederkehr des Hauptthemas in Refrainform vor einer keltischen Flöte, bevor ein kurzes Bombastsolo in ein sanftes Akustikoutro mündet, das dann allerdings doch nochmal Eigenleben zu führen beginnt. Als Single auskoppeln könnte man diese Nummer aber auch nur nach Komprimierung, und andere Kandidaten, über die sich der Interessent ins Material hineinarbeiten könnte, sind auch nicht in Sicht, da die einzelnen Bestandteile wie erwähnt stärker verwoben und zu größeren Einheiten zusammengefaßt worden sind als auf dem Debüt. Das wird den Proghörer nicht stören, aber das Normalpublikum abermals von dieser Großtat fernhalten. Daß Seven Steps To The Green Door mit ihrem neuen Werk "Fetish" etwas näher an Flaming Row herangerückt sind (Schnella bringt sich mittlerweile in beiden Bands ein, und Arnold fungiert ja eh als Scharnier), wenngleich es natürlich nach wie vor grundlegende Unterschiede gibt (so liegen Flaming Row im Zweifel gedanklich näher an Avantasia als an King Crimson), sollte der geneigte Anhänger beider Bands als Anregung verstehen, auch die jeweils andere anzutesten, wenn er nicht von vornherein schon beide mag. "Mirage - A Portrayal Of Figures" endet in einer ähnlichen Struktur wie "Ordinary Maniac" auf besagtem SSTTGD-Album, hier mit dem Kulminationspunkt vor Minute 15 und einem witzigen Schlußeffekt nach dem schrittweisen Ausmäandern knappe drei Minuten später, was wiederum an "Elinoire" erinnert. Wer jenes Album mochte, sollte jedenfalls auch dieses goutieren können.
Kontakt: www.flamingrow.de, www.progressive-promotion.de

Tracklist:
1. Mirage - A Portrayal Of Figures Pt. 1
2. Aim L45
3. Burning Sky
4. Journey To The Afterlife
5. Alcatraz
6. Memento Mori
7. Pictures
8. In Appearance - A Portrayal Of Figures Pt. 2



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