von rls
Nimmt eine Achtziger-Metalband ihre Aktivitäten nach längerer Pause wieder auf, so geschieht es nur selten, daß alle Originalmitglieder wieder mit von der Partie sind. Mindless Sinner gehören zu den seltenen Ausnahmen von dieser Regel: Auch wenn der Drummer jetzt nicht mehr Johansson, sondern Viktorsson mit Nachnamen heißt, so handelt es sich doch um ein und dieselbe Person, und auch die vier anderen Mitglieder gehörten alle schon in den Achtzigern zur Band. Damals entstanden die "Master Of Evil"-EP und ein Album namens "Turn On The Power", bevor die Band ihren Traditionsmetal mehr und mehr zu amerikanisieren (böse Zungen würden "kommerzialisieren" schreiben) begann und unter dem verkürzten Namen Mindless noch ein weiteres, "Missin' Pieces" betiteltes Album veröffentlichte. Aber auch damit kam die Karriere der Schweden nicht entscheidend vorwärts, und auch die Nachfolgebands wie Skinny Horse oder Fluff, an denen diverse Mindless-Sinner-Bandmitglieder beteiligt waren (Skinny Horse hatten gleich vier davon, nur Drummer Mats Johansson war neu, während bei Fluff wieder Tommy Johansson trommelte, aber dafür Bassist Christer Carlsson und Gitarrist Jerker Edman fehlten), blieben eher Insiderthemen. Nun jedenfalls sind die fünf Altmitglieder unter dem Namen Mindless Sinner wieder zusammen, haben auch schon auf dem Keep It True-Festival gespielt und legen mit "The New Messiah" ein neues Album vor. Und was für eins! Zunächst mal fällt es überraschend schwer, die Schweden eindeutig einer Schule zuzuordnen, da sie auf der einen Seite vor allem zu Beginn des Albums Siebziger-Einflüsse in Achtziger-Metal übersetzen, auf der anderen Seite und im Verlaufe der Spielzeit immer weiter dominierend aber auch originäre Achtziger-Elemente verarbeiten. Schon der schnelle Opener "Men Of Steel" klingt phasenweise wie eine metallisierte Fassung von Rainbow zu ihren besten Zeiten (also den Mittsiebzigern), und da Sänger Christer Göransson hier auch noch ein klein wenig Dio-Feeling in seine Stimme legt, ist die diesbezügliche Anmutung perfekt. Das Akustikintro des folgenden "Where Worlds Collide" wiederum erinnert eher ans frühe Dio-Solomaterial, und man wartet förmlich darauf, daß hier jemand "If your circle is unbroken, then you're a lucky man ..." zu singen beginnt. Im Hauptteil aber schaltet der Song um und läßt vorm geistigen Ohr die schnelleren Stücke der schwedischen Landsleute Seven (wann re-releast endlich mal jemand deren völlig verkanntes Meisterwerk "Break The Chains"?) auferstehen. Das große Hymnenfeeling Sevens haben Mindless Sinners Kompositionen zwar nicht, auch nicht in den eher midtempolastigen Stücken wie dem Titeltrack, aber das macht nichts - die zehn Songs, die es oldschool-mäßig auf eine reichliche Dreiviertelstunde Spielzeit bringen, wissen auch so zu überzeugen, wenngleich die ganz großen Übersongs hier nicht auszumachen sind, vom speedigen B-Seiten-Opener "We're The Ones" vielleicht mal abgesehen. Dafür funktioniert das Werk als Ganzes ohne jegliche Ausfälle und auf durchgängig hohem bis sehr hohem Niveau. Wenn man einen Kritikpunkt anbringen will, dann vielleicht, daß Göransson in den "erzählenden" Passagen von "Dance Of The Devil" einen etwas merkwürdigen Eindruck hinterläßt und auch irgendwie kurzatmig wirkt, während er im regulär gesungenen Bereich auf der ganzen Platte eine starke Leistung mit einer halbhohen bis hohen Stimme vollbringt. Der Rezensent besitzt das komplette Altmaterial der Band nicht (zumindest "Master Of Evil" und "Turn On The Power" gibt es mittlerweile allerdings auch als Re-Release) und kann somit keine Direktvergleiche anstellen - aber für sich betrachtet überzeugt "The New Messiah" allemal. Wer freilich musikalische Innovation sucht, der ist hier falsch: Mindless Sinner positionieren sich wieder konsequent als Traditionsmetaller (hätten sie an die amerikanisierteren Zeiten angeknüpft, wäre es ja auch sinnvoller gewesen, sich Mindless zu nennen), und obwohl sie keineswegs nur geradeaus nach vorn spielen, so gehören sie noch der alten Songwritingschule an, die eine Idee gebiert und aus dieser dann einen Song entwickelt. Das schließt Akustikbreaks wie in "Time Of Fear" oder variable Tempostrukturen wie in "Terror" (mit einem der markantesten Refrains des Albums) nicht aus, und nimmt man noch die an allen Ecken und Enden greifbare Spielfreude hinzu, so wird klar, daß der metallische Gourmet hier hochinteressantes Futter vorgesetzt bekommt, das zudem erfreulich traditionell produziert worden ist, aber trotzdem nicht ewiggestrig klingt, sondern vielmehr zeitlos. Daß das Cover mit der musikalischen Qualität nicht mithalten kann und zudem eher eine Politpunkscheibe vermuten läßt (wobei die Texterfraktion von Mindless Sinner durchaus mit offenen Augen durch die Welt geht und Mißstände anprangert, anstatt durch Fantasywelten zu reiten), stellt das einzige kleine Manko dieser durch das erst eine Halbballade antäuschende, aber dann doch treibende "Metalized" auf dem gewohnten hohen Niveau abgeschlossenen Skandi-Metal-Scheibe dar. Kann sich jemand Supreme Majesty ohne Keyboards vorstellen? Derjenige sollte "The New Messiah" auf alle Fälle mal antesten.
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