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von rls

V.A.: Noel, Noel - Weihnachtslieder   (Janz Team Music)

Alle Jahre wieder wird der Konsument ab Ende September mit pseudoemotionaler Weihnachtsmusik zugeschüttet - im Kaufhaus nicht nur auf der Rolltreppe, sondern auch im Regal der Tonträgerabteilung. Von den dominierenden 08/15-Produktionen der Marke "irgendein bekannter Opern- oder Schlagerstar singt das neu ein, was er vor 30/40/50 Jahren dem mit der Rute fuchtelnden Weihnachtsmann vorgesungen hat" hebt sich diese CD schon mal wohltuend ab, obwohl auch hinter ihr durchaus szenebekannte Persönlichkeiten stecken. Für die aus Gesang plus poplastiger Konserveninstrumentierung bestehenden Arrangements zeichnet sich kein Geringerer als Danny Plett verantwortlich (der selbstredend auch fleißig mitsingt), und außer ihm sind auf dem Cover noch Yasmina Hunzinger, Denise Roming, Carmen Bode und Marshall Hall explizit hervorgehoben, womit der Rahmen abgesteckt wäre (choral singen noch Anja Lehmann, Tamara Peters und Michele Phoenix sowie solistisch Silvia Aiello mit). Plett hat sich allerdings weitgehend von Gesangbuchstandards ferngehalten (Ausnahme: "Stille Nacht, heilige Nacht"), sondern gräbt weniger bekannte, teilweise auch schon steinalte Tracks aus (wer beispielsweise kennt "In The Bleak Mid-Winter", ein Traditional mit einem Text von Christina Rosetti aus dem 19. Jahrhundert?) und addiert einige Eigenkompositionen zur Summe von 17 Liedern, von denen zweimal drei medleyartig zusammengefaßt wurden. Das bombastische "Engel bringen frohe Kunde" eröffnet den Reigen, und auch das Weihnachts-Potpurri (wohl neue Rechtschreibung ... fürchterlich) betont eher die fröhliche Seite des Weihnachtsfestes (schließlich handelt es sich praktisch um eine Geburtstagsfeier, und der Jubilar ist auch nicht gerade irgendwer, sondern ein ganz besonderer), was besonders das vergleichsweise forsch losmarschierende "Herbei, o ihr Gläubigen" demonstriert. "The Virgin Mary Had A Baby Boy" aus dem "Virgin Mary Potpourri" (so liest sich das doch gleich viel angenehmer) hätte noch etwas mehr grooven dürfen, aber mit dem bereits erwähnten "In The Bleak Mid-Winter" bzw. dessen deutscher Entsprechung "Im trüben kalten Winter" ist das nächste absolute Highlight schon in Sicht, diesmal eins der emotionsbetonten Sorte, dessen Text (sofern die deutsche, etwas betonungsunfreundlich ausgefallene Übersetzung dem Original ungefähr entspricht) eindrucksvoll demonstriert, wie man sich im Europa des 19. Jahrhunderts einen Winter in Israel vorstellte (immerhin liegt aber Jerusalem 800 Meter hoch und Bethlehem nicht viel niedriger, was bedeutet, daß es dort tatsächlich schneien und auch mal saukalt werden kann), der aber nichtsdestotrotz mittlerweile drei Jahre zurückliegende Ereignisse in mir wachruft, allerdings eher im liebevoll-nostalgisch reminiszierenden als im zweifelnden oder gar unwilligen Gestus. Bei diesem Track tritt auch die Fähigkeit Pletts, eine sparsame Instrumentierung zu wählen und damit eine Überfrachtung zu verhindern, zutage, die sich leider nicht durch das komplette Programm fortsetzt (in diesem Zusammenhang weniger puristisch veranlagte Hörer werden das wohl als nicht so problematisch empfinden). Beispielsweise ist mir die Idee, das von dem im 18. Jahrhundert lebenden Italiener Alfonso Maria di Liguori stammende und musikalisch exzellente "Tu Scendi dalia Stelle" mit Mandolinen und akkordeonartigen Klängen aufzupeppen, einfach zu flach und vorhersehbar. Dann schon lieber das cool vor sich hin shuffelnde "O, Christmas Tree", wohinter sich natürlich nix anderes als das altbekannte "O Tannenbaum" verbirgt. "Immanuel", der mit viereinhalb Minuten längste Track, dürfte allen gefallen, die das balladeske Schaffen Pletts grundsätzlich mehr zu schätzen wissen als die modernere Ausrichtung etwa One Accords, wohingegen man "Singet Weihnachtslieder", das Quasi-Titellied, da es auf dem offenbar französischen "Noel Nouvelte" basiert, nach einer kleinen Power-Infusion auch im One Accord-Programm unterbringen könnte. Über "Die guten Tiere" (herausragender Gesang!) kommen wir bereits zum Schluß, den das angesprochene "Stille Nacht, heilige Nacht" bestreitet, textlich eine Variante präsentierend, die hier in den östlichen CrossOver-Stammlanden weniger geläufig ist, und in puncto Harmonik von eher klassischen Akkorden zu mollgefärbter Dramatik überwechselnd, mir damit die nicht leichte Entscheidung aufbürdend, ob ich das nun interessant oder zu pathetisch finden soll. Allerdings liegt, wenn ich dieses Lied mit einer Gänsehaut nicht nur auf dem Rücken in der vollbesetzten Dorfchemnitzer Kirche zu einem der Weihnachtsgottesdienste mitsinge, auch gewaltiges Pathos in der Luft, weshalb ich leicht zu erstgenannter Variante tendiere, obwohl mir die klassische Kreuzchor-Version hier immer noch am allerbesten gefällt. Dieses Urteil kann ich auch bedenkenlos auf die komplette CD übertragen: Obwohl die schon über 30 Jahre alte Aufnahme "Weihnachten mit dem Dresdner Kreuzchor" nach wie vor mein Lieblingsweihnachtstonträger ist und bleibt, so werd' ich auch "Noel, Noel" (das e schreibt sich übrigens mit diesen zwei Punkten drüber, aber das finde ich auf meiner Tastatur grade nicht) immer mal wieder einlegen. Und die Aussage des Infozettels, die CD biete eine "stimmungsvolle Weihnachtsreise" mit tiefgehenden Texten über das Wunder der Heiligen Nacht, kann bedenkenlos bestätigt werden. Gibt's bei Gerth Medien, PF 1148, 35607 Asslar, www.gerth.de oder direkt beim Janz Team, Im Käpelle 8, 79400 Kandern, www.janzteam.com



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