SINBREED: Master Creator von rls
In der Bewertung des Sinbreed-Debüts "When Worlds Collide" als eines der stärksten Melodic-Speed-Alben der Jahrzehntwende geht der hier tippende Rezensent mit Kollege Thorsten vollkommen d'accord - der von Thorsten gleichfalls sehr hoch eingeschätzte Zweitling "Shadows" aber liegt hier noch irgendwo auf dem großen Stapel der Ungehörten, so daß bisher kein eigener Eindruck gewonnen werden konnte. Der Opener des Drittlings "Master Creator", "Creation Of Reality" betitelt, bietet allerdings genau den gleichen begeisternden Melodic Speed Metal wie das Debüt, so daß man erhoffen durfte, abermals einen entsprechenden Hammer vorgesetzt zu bekommen. Die Hoffnung erfüllt sich leider nicht: "Master Creator" ist in der Gesamtbetrachtung immer noch ein starkes Album - aber es ist nicht nur der Überraschungseffekt weg, sondern auch ein Teil der Frische, was Sinbreed mit der Erhöhung der Vielfalt zu kompensieren versuchen und damit Ergebnisse unterschiedlicher Qualität erzielen. Zum einen erhöhen sie die Wendungsdichte innerhalb der Songs, was etwa "Across The Great Divides" einen fast progressiven Anstrich verleiht und zumindest diesen Song das Versprechen eines abermaligen umwerfenden Speedies, das sein Intro gegeben hatte, nicht einlösen läßt, auch wenn das Ergebnis in diesem Falle als immer noch vielschichtiger, ideenreicher und gut gespielter Melodic Metal durchgeht und bei neutraler Betrachtung zweifellos als gutklassig anzusprechen ist. Bei einem Blick ins Booklet fällt aber noch etwas anderes auf: Das Debüt hatte Bandkopf Flo Laurin noch im Alleingang komponiert, auf dem Drittling aber stammen nur drei der zehn Songs von ihm, die anderen sieben haben seine Mitmusiker Alexander Schulz (b, 1, nämlich das erwähnte "Across The Great Divides"), Frederik Ehmke (dr, 2) und Herbie Langhans (v, 4) beigesteuert, was natürlich das Bandgefüge festigt, aber dann zum Problem wird, wenn die Kompositionen der anderen das Niveau derer des "Chefs" nicht halten können. Man nehme mal "Moonlit Night" aus Langhans' Feder her: Auch hier verspricht das einleitende Thema viel, nämlich einen Rückgriff auf beste Seventh-Avenue-Zeiten, aber der puzzleartig strukturierte Song hält dieses Versprechen nicht ein, selbst wenn er den eingängigsten und besten Refrain der ganzen Scheibe enthält und im Hauptsolo die geliebte Spielfreude unnachahmlich durchbricht. Von dieser "Seuche" läßt sich selbst Laurin anstecken: Der aus seiner Feder stammende Titeltrack flitzt wieder los, als gäbe es kein Morgen - aber die Abstoppung in den ersten beiden Strophenzeilen hinterläßt abermals einen bemühten Eindruck, wohingegen das lange Break vor dem Hauptsolo unter Beweis stellt, daß Laurin sehr wohl ein exzellentes Gefühl für den wirkungsvollen Einsatz von Tempovariationen besitzt, und das hatte er ja auch schon auf dem Debüt unter Beweis gestellt. Daß Langhans selbiges Gefühl auch besitzt, wissen wir aus besten Seventh-Avenue-Tagen nur zu gut, aber der Wunsch, es auch bei Sinbreed eingesetzt zu wissen, geht nur bedingt in Erfüllung - die beste seiner vier Nummern ist das Midtempostück "Last Survivor", das in alter metallischer Songwritingschule eine Grundidee konsequent durchexerziert und nur aufgrund des fehlenden Speeds nicht ganz die Überwältigungskraft von "Creation Of Reality" besitzt. Mit geringfügigen Ausnahmen (ein von Produzent Markus Teske beigesteuertes Klavier in der Ballade "At The Gate", ein von ihm gespieltes Keyboardsolo in "The Riddle" und Ehmkes Dudelsack in "On The Run") setzen Sinbreed ausschließlich aufs traditionell metallische Instrumentarium, und das hätten sie zumindest in einem Fall noch konsequenter tun können: Auch der Dudelsackeinsatz wirkt bemüht, entfaltet keinerlei Wirkung im eigentlich recht mitreißenden Song, sondern unterbricht dessen Fluß eher und ist auch als Beweis, daß Ehmke dieses Instrument beherrscht, unnötig, denn das weiß das Blind-Guardian-Anhänger sowieso. Apropos Blind Guardian: Marcus Siepen, der auf dem Albumvorgänger die zweite Gitarre bedient hatte, ist nicht mehr mit von der Partie, so daß Sinbreed wieder zur Quartettbesetzung zurückgekehrt sind, aber trotzdem einen fünften Mann im Schatten dabei hatten: VandenPlas-Gitarrist Stephan Lill hat für fünf Songs die Gitarrensoli komponiert, die dann allerdings von Laurin eingespielt wurden. Der Ideeninput hat sich allerdings gelohnt - diese Solopassagen gehören zu den stärksten Momenten des Albums, wohingegen diejenige in "The Riddle" beispielsweise anfangs fast gequält wirkt, bis sich die Linie dann doch noch befreit aufschwingt, was Zufall sein, aber auch auf eine gewisse Blockade Laurins hinweisen kann. Apropos gequält: Das Intro von "The Voice" zeigt, daß Langhans sehr weise ist, wenn er sich von den ganz hohen Gesangspassagen fernhält, und im Rest der 45 Minuten wendet er diese Weisheit auch an. Selbige Nummer erinnert vielleicht am stärksten an Seventh Avenue und ist zweifellos auch als gelungener Melodic Metal einzustufen. Nur erwartet man von Sinbreed seit dem besagten Debütgeniestreich ein dauerhaftes Freudenfeuer, und genau dieses ist "Master Creator" nur partiell geworden - das HammerFall-Syndrom sozusagen, die auch nie wieder an "Glory To The Brave" anknüpfen, trotzdem aber auch in der Folge noch manches metallische Glanzlicht setzen konnten. Ebenjenes bleibt auch von Sinbreed zu erhoffen - bis dahin bleibt "Master Creator" wie beschrieben ein immer noch gutes bis in seinen (allerdings raren) Glanzmomenten überragendes Melodic-Speed-Metal-Werk und eine Ersatzdroge für alle, die Seventh Avenue hinterhertrauern, wobei die konkrete Bewertung maßgeblich von der Erwartungshaltung des Hörers abhängt.
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