von tk
"Die Beatles hatten Paul McCartney, LED ZEPPELIN hatten Robert Plant und KISS haben nach wie vor PAUL STANLEY." So prangt es im Promosheet zu dieser CD. Schön und gut. Soloalben großer Künstler lassen meistens zwei Rückschlüsse zu: Entweder man leidet angesichts kommerziell bedingten Ausgedünntseins an chronischer Unterbeschäftigung oder der Kreativitätsgeist brennt mit einem dermaßen durch, dass einem die Aktivitäten in der Hauptband nicht mehr ausreichen. Auf Paul Stanley dürfte wohl ersteres zutreffen, denn der KISS-Hauptsongwriter haut nach 28 (!) Jahren erst sein zweites Soloalbum raus, wobei man über Sinn und Unsinn dieser Veröffentlichung trefflich streiten kann. "Live To Win" bedient zwar im großen Stil traditionelle Rockelemente, hat aber auch etliche alternative Anleihen zu bieten, so dass nicht nur Licht, sondern auch Schatten auf diesem zweifelsohne professionell arrangierten und produzierten Werk liegen. Schon der Opener und Titelsong ist eine recht zwiespältige Angelegenheit. Der schrammelige Anfangsspart verheißt nichts Gutes, erst mit dem klassisch geprägten Mitsing-Chorus erfährt der Song eine positive Wendung. Mit dem nachfolgenden Track "Lift" verhält es sich ganz ähnlich. Die Basis bildet alternativ angehauchter Rock, der zwar auch klassische Elemente in sich vereint, allerdings nur in geringen Dosen. "Wake Up Screaming" plätschert monoton und unspektakulär an einem vorüber, wohingegen "Bulletproof" und "All About You" noch so etwas wie nostalgische Momente aufblitzen lassen, mit einem kernigen Chorus zum Mitgröhlen aufwarten und an die Glanzzeiten BON JOVIs erinnern, woran sicherlich auch Desmond Child eine Mitschuld trägt, hat der "Hit-Maker" bei sieben Songs seine kompositorische Handschrift hinterlassen. Die poppige Ballade "Second To None" ist zwar ganz nett anzuhören, aber wahrlich keine sogschreiberische Meisterleistung, ebenso wie das Piano unterstützte Power-Pop-Stück "Loving You Without You". Wenn man aber Ex-Marilyn Manson und Jetzt-Rob-Zombie-Gitarrist John 5 die Saiten für sich zupfen lässt, darf man freilich nichts anderes erwarten. KISS- und Bombast-Melodicrock-Fans der alten Schule sollten lieber mal vorsichtig antesten, ob sie mit der Gratwanderung von Alternative und Traditionalismus zurechtkommen.
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