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TESTOR: Next Stop Insanity
von rls

TESTOR: Next Stop Insanity   (Eigenproduktion/Fonografika)

Zu größerer Popularität haben es Testor zumindest außerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes Polen noch nicht gebracht, und das, obwohl sie schon seit 1989 existieren und bereits einige Releases auf der Habenseite verbuchen konnten. Ob "Next Stop Insanity" daran etwas ändern kann, darf bezweifelt werden, und das allein schon aufgrund der logistischen Struktur: In Polen als Eigenproduktion veröffentlicht, stellen Fonografika das Album immerhin auch in die größeren Plattenläden (wo der Rezensent sein Exemplar in Jelenia Gora erwarb), aber jenseits der Landesgrenzen dürfte sich vermutlich herzlich wenig tun, wenngleich Testor zumindest eine kleine Chance hätten, aufgrund ihres Musikstils aktuell szeneintern beachtet zu werden: Sie spielen Thrash, und zwar solchen, der trotz unverkennbarer moderner Einflüsse immer noch als halbwegs traditionskompatibel durchgeht. Soll heißen: Wenn die Gitarren mal kurz quietschen, klingt das schon nach frühen Machine Head, aber in den meisten Fällen machen sie dann doch gepflegten geradlinigen Riffkrach und wissen auch um die Bedeutung eines Gitarrensolos. Auch Breakdowns sind prinzipiell keine grundsätzlichen Fremdlinge für die Songwritingfraktion, aber sie werden sehr dosiert eingesetzt, und wenn tatsächlich mal ein ganzer Song midtempolastig gehalten ist wie etwa "Declaration", dann ist Moshen zu diesem immer noch einfacher als Hüpfen. Blitzartige Einfälle wie etwa das Gitarrenflackern in diesem Song lockern ihn daher eher auf, als ihn zu verunstalten, und so kommt ein Gesamtergebnis heraus, das beispielsweise auch zu neuzeitlicheren Trivium gepaßt hätte. Daß der Wecker, der das folgende "Rat Race" einleitet, exakt den gleichen Klingelton von sich gibt wie der des Rezensenten, darf dagegen als purer Zufall gewertet werden, während der Hauptteil des Songs trotz des knüppelnden Einleitungsparts dann auch wieder eher in groovigeren Gefilden landet, allerdings durch stakkatountersetzte Soli flankiert wird. So versuchen Testor die ältere und neuere Thrash-Schule miteinander zu verbinden und schneiden dabei nicht mal schlecht ab. Im europäischen Maßstab wäre "Next Stop Insanity" beispielsweise mit "Recesses For The Depraved" von Sacrosanct vergleichbar, die kleinen neuzeitlicheren Einflüsse hier natürlich noch ausgeklammert. Da paßt auch der Gesang von Rafal "Kefir" Wachnicki, der dem von Michael Lucarelli durchaus nicht unähnlich ist, allerdings noch etwas häufiger als dieser Variationen einbaut. Ein schönes Beispiel ist "In Blood", wo sich Flüstervocals, deathmetallische Brülleinwürfe, "normales" rauhes Thrash-Shouting und etwas cleanere, teils an James Hetfield und teils an jemanden, der dem Rezensenten gerade nicht einfällt, erinnernde Passagen auf kurzer Spieldauer begegnen. Und überhaupt schielen Testor auch instrumental manchmal zum Death Metal hinüber, beispielsweise im Closer "Morality Is Over" oder in "Walking Away". Das lockert den so schon vielschichtigen Sound noch weiter auf, verwässert ihn aber nicht; man hat nie das Gefühl der Orientierungslosigkeit, und auch die erwähnten blitzartigen Einfälle passen sich problemlos ihrem jeweiligen Umfeld an, zerreißen den Faden auch nie so, daß er nicht mehr wiederzufinden wäre. Freilich fehlt Testor so etwas wie Originalität völlig, und das ist auch der Grund, weshalb sie von der herrschenden Thrash-Schwemme vermutlich kaum profitieren werden: Wenn man sie überhaupt wahrnimmt, dann als vermeintliche Mitläufer (auch wenn das aufgrund der Bandgeschichte unberechtigt ist - aber wer kennt diese Bandgeschichte außerhalb Polens schon?), die zwar zweifellos kompetent spielen können, aber ansonsten nicht weiter auffallen, weder im positiven noch im negativen Sinne. Das könnte anhand eines Liveerlebnisses sicherlich anders werden, denn eine starke Liveband dürfte das Quintett zweifellos abgeben. Aber auch hier dürften der Gelegenheiten des Checks der Livequalitäten der Band außerhalb Polens nicht eben viele sein. So schließt sich der Kreis zur einleitenden Argumentation: "Next Stop Insanity" ist eine gute CD, die man als Genrefreund unbedenklich erwerben kann, die aber Testors Status wohl in keiner Richtung beeinflussen wird.
Kontakt: www.testorband.com, www.fonografika.pl

Tracklist:
N.S.I. (Intro)
Here Comes The Electric
Show Me What You Have
Declaration
Rat Race
In Blood
Shot In The Back
Walking Away
United Unworthy
Morality Is Over



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