www.Crossover-agm.de VIRGIN: Second Chance
von rls

VIRGIN: Second Chance   (Eigenproduktion/Asaph)

Bevor irgendwann im zweiten Halbjahr 2003 die dritte CD "MISStakes" das Licht der Welt erblicken wird, soll noch schnell der pragmatisch betitelte Zweitling "Second Chance" reviewt werden. Virgin tragen nicht gerade einen jungfräulichen Bandnamen mit sich herum, auch wenn ich ihnen mal unterstelle, daß sie das deutsche Metalquartett um die Brüder Gerd und Jürgen Tillmann sicher nicht kennen dürften - schließlich brachten jene ihre erste und offenbar auch einzige LP anno 1984 heraus, als beispielsweise die auf dem Drumsessel der hier reviewten Virgin sitzende Sophie Schneider noch lange nicht an ihre Einschulung denken mußte. Die zwischenzeitlich gemeldete, in Planung befindliche Umbenennung in Womanic scheint aber ebensowenig stattgefunden zu haben wie die ebenfalls durch den Blätterwald gerauschte Tour mit Jennifer Rush anno 2002 - jedenfalls schweigt sich die ansonsten recht informative Page der Band darüber aus. "Second Chance" stammt von 2001, und Leute, die im Gegensatz zu mir den Erstling "Soon Comes The Day" kennen, haben von einer deutlich rockigeren Ausrichtung der neuen Scheibe gesprochen, was mir nun wieder schwerfällt zu glauben, denn schon "Second Chance" ist über weite Strecken eher kontemplativ als bewegungserzeugend ausgefallen. Daß Virgin richtig rocken können, beweisen sie zwar gleich mit dem erstklassigen forschen Opener "Time To Fly", aber dann schalten sie gleich mehrere Gänge zurück, ohne aber andererseits eine reinrassige Ballade zu schreiben. Für 'ne Band, die sich selbst das Etikett "Die Frauenpowerband" umhängt, ist das dann doch bissel wenig, zumal die Schülerbandshouts "Love Of Another Kind" auch nicht gerade aufwerten. "Do You" wiederum hätte - ohne Drummerin Sophie zu nahe treten zu wollen - als Komplettkuschler besser funktioniert als in dieser irgendwie unentschlossen wirkenden Version, trotz eines sehr schönen emotionalen Gitarrensolos. Erst mit dem etwas epischeren "The Rivers Didn't Flow" finden Virgin zu richtiger Stärke zurück, aber sie halten dies wiederum nicht bis zum Ende der CD durch. Bei einem Blick ins Booklet fällt auf, daß Sängerin Lissy Freund nur zwei der 10 Songs selber geschrieben hat - die restlichen steuerte ein "Externer" bei, nämlich Thomas Fricke, den mancher noch als Sänger und Hauptsongwriter von MUT in Erinnerung haben dürfte. Ob es MUT überhaupt noch gibt, weiß ich nicht - mein bisher einziges Liveerlebnis der Truppe datiert immerhin schon von 1997, und die zwei mir bekannten CDs "Ganz und gar" bzw. "Bewegte Zeiten" waren damals beide schon erschienen. Besonders auf "Ganz und gar" hat Thomas bewiesen, was für kernige Rocker er schreiben kann (wohingegen mir "Bewegte Zeiten" etwas zu relaxt ausgefallen war und über weite Strecken den Biß des Vorgängers vermissen ließ), und ich bin sicher nicht der einzige, der sich freuen würde, wenn er auf der anstehenden neuen Virgin-CD wieder etwas von der damaligen Energie ausbuddeln würde. Muß ja nicht gleich 'ne Hardrockband aus Virgin werden (obwohl neben mir da sicher auch das für meinen Geschmack optisch attraktivste Bandmitglied, nämlich Drummerin Sophie, und Gitarristin Kyra Fichtner nix dagegen hätten, wenn ich mir die musikalischen Vorlieben in den Personalseiten der Homepage so anschaue). Aber falls ich mir den Titeltrack mal vorzustellen versuche, wenn die zweite Gitarristin Kathi Löbl da keine akustikgitarristischen Akkorde, sondern feiste Riffs drunterlegen würde, dann wäre das ein Song, der den Namen "Frauenpower" wirklich verdient und immer noch genug Platz für Lissys saubere Stimme läßt (die zu Recht einen zentralen Platz im Virgin-Sound einnimmt, auch wenn sie für allzuderbe Unterbauten tatsächlich "zu schön" wäre). Keyboarderin Doro Freund steht weiter im Hintergrund, als man das von vornherein vermutet hätte (das soll auf dem erwähnten Erstling anders gewesen sein), aber insgesamt scheinen bei Virgin sowieso mehr die Mannschaftsleistung als die Einzelspieler zu zählen. Damit (und auch mit der Einteilung "Ein Rocker am Anfang und dann zurückhaltender") rückt das durch Bassistin Anne Beier komplettierte Sextett etwas in die Nähe von New Life, musiziert aber generell mit etwas "professionellerem" Touch. Die christlich-zwischenmenschlichen Texte halten Virgin durchweg in Englisch (ein großer Unterschied zu MUT), und (gleich noch einer) ihre Optik könnte ihnen durchaus einige Türen öffnen, die einer Herrencombo gesetzteren Alters verschlossen bleiben (wobei Virgin mit diesen Qualitäten nicht explizit hausieren gehen, obwohl sie es durchaus könnten). Warum sie den Abschlußsong "Music" nach einminütiger Pause gleich nochmal ausschnittweise verewigen mußten, wird aber auch nach einigen Repetitionen nicht klar. Um unbedingt auf 45 Minuten Spielzeit zu kommen? Egal, der Song ist gut, und Virgin lassen nochmal ansatzweise ihre Rockseite zum Vorschein kommen (wie zuvor schon in "Heyday"), aber auch hier hätte der Akustikgitarrenteppich nicht unbedingt sein müssen. Flauschige Pop-Wiesen gibt's in den restlichen Kompositionen schließlich genug. "Second Chance" ist sicher keine schlechte CD (dazu größtenteils sauber produziert) und garantiert massenkompatibler als 90% aller sogenannten White Metal-Scheiben - aber das nächste Mal möchte ich das Wort "Frauenpower" bitte nicht nur auf der Page lesen, sondern auch in der Musik wiederfinden. Vielleicht machen Virgin auch live mehr Druck, wer weiß? Sich davon zu überzeugen gibt es genug Gelegenheiten, denn die Band ist recht aktiv, was Gigs angeht. Also flugs auf www.virgin-band.de vorbeigeschaut und die aktuellen Termine eruiert. "Second Chance" sowie den Erstling gibt's dort auch zu bestellen.

Tracklist:
Time To Fly
Love Of Another Kind
Light Up My Life
Do You
The River's Didn't Flow
Second Chance
Catch You If You Fall
Heyday
Keep Your Faith
Music
 




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