von rls
Die Jungs hätten Black Sabbath gar nicht in ihrer Thankslist aufführen müssen - beim Erklingen des Riffs in "Reformation" erkennt man auch so, daß Gitarrist Daflas in der Iommi-Schule gut aufgepaßt haben muß. Aber War Blade bilden keinesfalls eine Kopie von Black Sabbath - da sind gleich mehrere Gegenargumente aufzuführen. Zum ersten wissen die Jungs, daß wir produktionstechnisch nicht mehr 1970 haben, klingen also vom Soundgewand her trotz des hörbar beschränkten Budgets etwas moderner. Zum zweiten spielen sie keinen puren massiven Doom, sondern stöpseln die Verzerrer auch gerne mal aus und flechten Akustikpassagen ein, die sie geschickt mit klassischen Doompassagen und ein paar schnelleren Ausflügen kombinieren - Paradebeispiel für diese Herangehensweise ist "Fallen Mask". Die bisweilen zu lesende Einordnung ins Stonerfach kann allerdings beim besten Willen nicht aufrechterhalten werden, denn die paar Passagen, wo der Groove tatsächlich mal so schräg verschleppt ist und die Gitarren klingen wie ein Samum in Zeitlupe, reichen nicht aus, um War Blade zu Kyussologen zu stempeln, wenngleich ein Song doch tatsächlich "Deserto" heißt, sich textlich aber nur metaphorisch mit der Wüste beschäftigt, nämlich der Wüste, in der man sich bisweilen im Leben gestellt sieht, wenn alles rundherum so sinnlos erscheint (ein Zustand, der bekanntlich diverse Black Metaller immer wieder zum Einfrieren bringt, da sie keine R'activ-Oase - oder im Sinne der Lesart von War Blade: "There is purpose in God - There is an encounter in the desert" - ausmachen können). Ein weiterer signifikanter Unterschied zu Black Sabbath besteht im Gesang von Wagner (keine Irritationen: das ist in Brasilien, wo War Blade herkommen, ein gar nicht mal seltener Vorname), denn hier steht kein kleiner Ozzy am Mikro, sondern ein relativ unkategorisierbarer Shouter, der durchaus auch als Prediger brauchbar wäre, da seine Stärke mehr im rezitativartigen Deklamieren als im melodischen Singen besteht (wiewohl er auch letztgenanntes durchaus beherrscht, wie der Anfangsteil der Halbballade "A Semente" beweist), ohne daß er aber in thrashiges Gebell oder noch extremere Lautäußerungen verfällt. Allerdings sollte er sich bei passender Gelegenheit unbedingt einem Kurs für englische Aussprache anschließen - die ist streckenweise nämlich fürchterlich und führt dazu, daß man nicht nur die portugiesischsprachigen, sondern auch die englischen Texte im Booklet nachlesen muß, um zu erschließen, von welchen religiösen Erfahrungen Wagner uns berichten will. Passend zum Titel der CD ist auf dem Cover denn auch Luther zu sehen, wie er mit einem riesigen Hammer einen engbeschriebenen Zettel mit der Überschrift "Die 95 Thesen" an der Wittenberger Schloßkirche anbringt, und der Quasi-Titeltrack "Reformation", neben dessen Text im Booklet gleich noch ein Lutherbild prangt, mahnt die innerkirchliche Reformfähigkeit am Beispiel von Luther an: "Luther's courage causes us to remember that the truth never dies - Constant reformations" - ein Exempel, das man aber auch anderen gesellschaftlichen Organisationen vorhalten darf, wenn man es nicht im religiösen Sinne interpretieren möchte. Musikalische Reformatoren sind War Blade wie erwähnt nicht, wenngleich sie wie ebenfalls erwähnt durchaus vielfältigere Einflüsse verarbeiten, Trommler Eduardo an manchen Stellen sogar recht breakverliebt gestalten darf (das hat Bill Ward aus unerfindlichen Gründen vermieden) und vergleichsweise experimentelle Tracks wie das erwähnte "A Semente" im frühen Black Sabbath-Schaffen, sieht man mal vom allerdings völlig anders gelagerten "Spiral Architect" ab, nicht zu rekognoszieren sind. Mit "Ben And Vesper Songs" haben War Blade sogar noch ein recht einzigartiges Experiment auf der CD stehen, denn diese Akustikballade stammt von zwei Freunden der Band aus New Jersey, die sie nicht nur geschrieben, sondern auch gleich noch selbst eingespielt haben, so daß also in diesem Song kein einziges Bandmitglied zu hören ist. Dieser Song schließt den regulären Teil der CD ab - als Bonus sind danach noch die sechs Tracks des 1998er Demos verewigt, das in puncto Soundqualität natürlich etwas abfällt, musikalisch aber ebenfalls mehr als hörenswert ist und insgesamt bedeutend roher und ungeschliffener klingt als das neue Material. Leider habe ich keine Informationen, in welcher Besetzung War Blade damals agierten, aber zumindest der Sänger hört sich in "Dry Fatal Cult" (wenngleich auch nur dort) doch relativ anders an als Wagner in den neuen Songs - er shoutet bedeutend derber, allerdings ebenfalls ohne Thrashlagen zu erreichen. Neben diesem Song ist auch "Fallen Mask" doppelt vertreten und das Intro ebenfalls in zwei Formen (das neue hat Kirchenglocken im Hintergrund der Narration, was richtig gut kommt). "Howling In The Shadows", "Black Days" und "Mercy" hingegen haben keine Neueinspielung erfahren, sind also nur in den 1998er Versionen auf der CD vertreten und fehlen auch lyricsseitig im Booklet (wo übrigens sowohl die portugiesischen Lyrics ins Englische als auch die englischen ins Portugiesische übersetzt wurden). Musikalisch hat sich allerdings seit 1998 nicht viel geändert - auch damals schon intonierte die Band doomigen Metal der beschriebenen Abwechslungskategorien, wenngleich man im ersten Teil des Solos von "Howling In The Shadows" vermutlich etwas zuviel wollte und deshalb überschräg agiert, dann aber in einen herrlich galoppierenden zweiten Soloteil übergeht. "Black Days" entwickelt sich gar zum stärksten Song der ganzen CD - zwei Drittel eines flotten Doomgrooves gehen in einen langsamen Schlußteil über, Experimente sind hier mal abwesend, dafür wird einfach nur gerockt. Und wie! Wer mit doomlastigem Metal was anfangen kann, macht mit dem Erwerb von "Constant Reformation" definitiv nichts verkehrt; zu realisieren ist besagter Erwerb in Deutschland am einfachsten via www.whirlwind-records.de
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