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Halle macht der Theatrale
Platz
Die Freien Komödianten
gehen und kommen
von
Henner
Kotte
"Das Theater ist tot, es lebe
Theater!" Die Spielleut und Sympathisanten und Freunde der Freien Komödianten,
sie feiern Begräbnis. Sie müssen raus aus dem Haus da am Volkspark,
das ihnen Jahre Obdach bot. Der Alteigentümer verschafft sich jetzt
Recht. Bei bestem Willen geht nix mehr, die Kündigung ward ausgesprochen.
Der Eingang zu den Schau- und andren Spielen der Theatertruppe wird verschlossen.
Die Klappe ist gefallen, die Szene gestorben.
Weh tut das schon. Mehr als
sechs Jahre haben die Freien Komödianten aus und in diesem Haus was
gemacht. Die Truppe um spiritus rector Tom Wolter nutzte die alte Turnhalle
um. Alle Akteure taten mit, mauerten, zogen Decken ein, spielten Theater.
Die Programmatik der Enthusiasten hatte sich in Bälde und nicht nur
in Halle rumgesprochen und wollte gesehen werden und wurde gesehen. "Hochwasser",
"Die Weihnachtsgans Auguste", "40° C, pflegeleicht" heißen erfolgreiche
Produktionen. Frei und ungebunden sind die Freien Komödianten stets
gewesen, und sie wollen ihn auch, den ganz besonderen Reiz der existenziellen
Situation. Staatliche, kommunale Mittel füllen ihnen nämlich
nur zu zehn Prozent den Finanztopf. Das langt grad mal hin für Miete
und ein bissel was drauf. Die Gagen, die Inszenierungen, das, wo's nie
hinlangt, was kostet enorm, spielt sich die Truppe ein. Solch Finanzgebaren
ist nicht eben häufig auf dem Markt der unabhängig freien Bühnen.
Dazu braucht's Konzept, braucht's eignen Stil, braucht's Kunst, die die
Nerven von uns Publikum trifft.
Programmverantwortlicher Tom
Wolter ist und hat Theater studiert auch in Leipzig an der Schauspielschule.
Weitere Semester hat er universitär sich gebildet mit Geistes Wissenschaft
von Philosophie bis Germanistik. Tom Wolter kennt die Hallenser Bühnen
praktisch von Thalia, Kiebitzenstein bis nt (er stand wirklich drauf auf
allen Brettern als Akteur). Er erkannte Leere und beschloß, genau
diese Stellen mit anderer Schaukunst zu füllen. Seit 1994 spielen
die Freien Komödianten in Halle, in Leipzig, in Dresden und anderswo
auch, an Stätten mit Namen wie NaTo oder TiF. Ein richtiges Fest(es)haus
hatten sie nicht, bis, ja bis von ihnen das "Haus am Volkspark" wieder
entdeckt und auftrittsfähig gestaltet werden konnte. Ein städtischer
Nutzungsvertrag gab rechtlichen Schutz. Engagement machte was draus. Das
Areal um Tinzlers Garten wurde für Halle Adresse. Jetzt sind diese
Freien Komödianten die Letzten, die das Gelände verlassen. Und
deshalb wird dieser Abgang gefeiert mit Pauken, Trompeten, mit Straßenbahn
und echtem Umzug am 24. März.
Auf geht's da zu neuen Räumen.
Die gibt es wahrlich und schön. Zwar liegen sie nicht mehr im bisherigen
Kiez, sind aber zentrumsnäher am Waisenhausring in der alten Produkten-
und Getreidebörse. Hauseigentümer Papenburg AG überließ
Saal und weitere Stätten für Büro und Fundus und Kram zu
Bedingungen, die angemessen und erschwinglich. Und diese Bühnenstätte
bekommt einen Namen: Theatrale. Das klingt, doch Andacht ist dies keineswegs.
Ab 30. März wird die neue Bühne bespielt. Ilse Schmalstieg alias
Tamara Sophia Müller macht Programm mit sich und mit Liedern, ein
Solo. Am 20. des Monats April kann man auch wieder Schauspiel besehen.
"Iphigenie auf Tauris" vom Meister Goethe in bewährter Manier und
Qualität. Man hat sich für uns was vorgenommen.
Wie für die Theatrale
überhaupt. Klar und völlig logisch spielen darin die Freien Komödianten.
Ihr künstlerischer Leiter Tom Wolter hat Ideen und die Leute dazu.
Er und die Geschäftsleitung unter Bruder Roy finden dafür die
Partner. So geht das ganze Theater auf Tour oder spielt in Bad Lauchstädt
oder den Franckeschen Stiftungen oder an der Saale hellem Strande. Und
der neue Raum in der alten Börse wird für viel mehr noch genutzt.
Andere Bühnen bekommen Möglichkeiten des Auftritts. Künstler
des Wortes geben eigne Texte, also lesen. Eine Hörbühne wird
eingerichtet. Stumme Filme werden musisch live interpretiert. Andre Klangkunst
wird's geben elektrisch und auch live. Weitere Konzerte finden statt. Jazz
im Besondren. Die "SingBar" lädt ein mit Autoren und Liedern. Neben
lokalen Matadoren holt man Gäste sich in die Theatrale. Gar ein Festival
der freien Bühnen Ost und West ist geplant. Das ist Theater. Das ist
Bühne. Das ist Leben.
Die Freien Komödianten
bleiben ihrem Anspruch treu, keine konservativ konservierte Kunst zu bieten.
Dichter werden auch in der Theatrale mitnichten veranstaltet oder zelebriert.
Sie stellen ihre und der andren Kunst nicht aus auf, daß wir in Ehrfurcht
erstarren mögen. "Die Bühne ist die Kunst des Augenblicks", sagt
Tom Wolter, "es ist das Spiel, das uns Gedanken machen soll". Dafür
hat er seine Kollegen. Dafür hat er uns, das Publikum. Und er hat
die Theatrale. Auf in neue Zeiten und Räume. Auf Komödianten!
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