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8. Philharmonisches Konzert "Auferstehung"   24.04.2007   Gera, Theater
von rls

Der Titel ist Programm: Mit dem 8. Philharmonischen Konzert feiert der Konzertsaal im Geraer Theater an der Küchengartenallee seine Wiederindienststellung als konzertante Spielstätte, eingebettet in die zwei Festwochen anläßlich des Abschlusses der Komplettsanierung des Theaters und der schrittweisen Rückeroberung erst durch die Theatermacher selbst und dann natürlich auch durch das Publikum. Und welches Werk könnte man aus einem solchen Anlaß besser aufführen als die 2. Sinfonie von Gustav Mahler, auch als "Auferstehungssinfonie" untertitelt? Der zündende Gedanke lag also nahe, und der mittlerweile nicht mehr ganz so neue Generalmusikdirektor Eric Solén trommelte die nötige gesangliche Verstärkung zusammen, die außer in den beiden Solistinnen Ulrike Schneider und Gerlinde Illich noch im lokalen Opernchor, im sich noch in den Geburtswehen befindenden Philharmonischen Chor Gera und im Philharmonischen Chor Dresden ihre Materialisierung erfuhr. Diese Personaldecke samt des notwendigerweise umfangreichen Instrumentalistenbestandes (allein das Schlagwerk nimmt eine komplette Querreihe des Podiums ein) paßt nahezu exakt auf den zur Verfügung stehenden Platz unter der von der Stirnwand herab ins Auditorium strahlenden Orgel (nur die Harfen müssen nach rechts unter die Empore ausgelagert werden, wo sie akustisch oft etwas untergehen), und nachdem das zahlreich erschienene Publikum (es hängt sicherlich das Ausverkauft-Schild an der Kasse) alle platzlogistischen Probleme gelöst und jeder seinen Stuhl unter dem romantischen blauen Himmel der Saaldecke gefunden hat, kann das Geschehen seinen Lauf nehmen. Das tut es zunächst mit einer erfreulich lockeren Weiherede des Intendanten Matthias Oldag, der danach vom lokalen Theaterförderverein einen Flügel geschenkt bekommt, welchselbiger im Balkonfoyer seinen Platz findet - eine neue Spielstätte direkt über dem Haupteingang des Theatergebäudes, wo in Zukunft kleinere Kammerkonzerte in intimer Atmosphäre stattfinden sollen.
Die Sinfonie selbst leidet unter ein paar kleinen Startschwierigkeiten im eröffnenden Allegro maestoso, wo zunächst der eine oder andere Einsatz leicht holpert, bevor das erste Unisono dann aber wie eine Eins steht und die richtige Richtung weist, wenngleich auch im weiteren Verlauf des ersten Satzes noch ein paar Schwankungen auftreten; so macht das Blech im Finale dieses Satzes einen etwas zu gequälten Eindruck, wohingegen andere Passagen wie der erstklassig gespielte zentrale Totalzusammenbruch den Hörer mit der Zunge schnalzen lassen und das Schlagwerk eine wunderbar raumgreifende Wirkung entfaltet, wobei ihm der schlauchartige Aufbau des Orchesterpodiums sicherlich zugute kommt. Wer sich die Marschparts genau anhört, findet darin übrigens eine Quelle, die David de Feis für die ähnlich gearteten Parts im Virgin Steele-Meisterwerk "In The Arms Of The Death God/Through Blood And Fire" angezapft haben könnte; er hat sich zwar in Interviews nie dazu geäußert (weil er auch nie danach gefragt worden ist), aber bei seinem klassischen Background und der überraschend ähnlichen Konzeption liegt der Verdacht zumindest nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit - und bei Mahler fungierte dieser Satz seinerzeit auch noch als selbständiges Konzertstück unter dem Titel "Todtenfeier". Daraus erklärt sich der Wunsch des Komponisten, daß nach diesem Satz eine Programmunterbrechung stattfinden und zunächst John Cages "4'33" gespielt werden solle. Eric Solén erfüllt diesen Wunsch und hebt eine noch etwas verlängerte Orchesterversion des Cage-Stückes ins Programm, bevor er mit dem Andante maestoso fortfährt, dessen Idylle allerdings nicht ganz so schwelgerisch gelingt, wie man sich das wünschen würde, obwohl die Harfe kompetent säuselt und auch die Zupfpassage ein schön pastorales Feeling hervorruft. Aber das Blech wackelt immer noch ein wenig, auch den Schlußton hätte man sich präziser gewünscht. Doch in den nun noch folgenden Sätzen kennt das Orchester nur noch eine Richtung: nach oben, und es schwingt sich zu einer wahren Meisterleistung auf. Das beginnt schon mit den wunderbaren Chaospassagen im dritten Satz, seinem brachialen Zentraltutti oder seinem bösartig grollenden Finale. Altistin Gerlinde Illich besticht im vierten Satz mit einer runden und gut durchsetzungsfähigen Stimme, Zeilen wie "Je lieber möcht' ich im Himmel sein" den gewünschten sehnsuchtsvollen Charakter verleihend. Sopranistin Ulrike Schneider hat im fünften Satz weniger Entfaltungsmöglichkeiten, da sie oftmals parallel zu den Chören und auch zu einem intensiver agierenden Orchester singen muß, aber sie löst diese Aufgabe im Rahmen der ihr vom Komponisten gewährten Möglichkeiten ebenfalls gut. Und dieser fünfte Satz gerät dann letztlich zum meisterlichen Höhepunkt, beginnend schon mit den brillant ausgespielten Laut-Leise-Dynamiken am Übergang vom vierten zu fünften Satz. Das ist aber noch nichts gegen die wunderbaren Surroundeffekte, die das Blech mit seinen Ferneinsätzen erzeugt, von denen der Hörer förmlich umwoben wird und sich in Anathemas "Dreaming: The Romance" wiederzufinden wähnt. Wenn man dann irgendwann denkt, es sei nun keine Steigerung in puncto Dramatik, aber auch Umsetzungsqualität mehr möglich, wird man umgehend eines Besseren belehrt, was dann in der Steigerungskonstruktion der drei Quintessenzen dieses Satzes gipfelt. Quintessenz 1 setzt der Chor mit "Was entstanden ist, das muss vergehen! Was vergangen, auferstehen!", und nach einer Passage, die im klassischen Drama als retardierendes Element bezeichnet würde, fällt ihm mit der Zeile "Sterben werd' ich, um zu leben" auch die zweite Quintessenz zu. An der dritten und letzten Quintessenz "Aufersteh'n, ja aufersteh'n wirst du" sind dann alle beteiligt - das Orchester brilliert auf feierlichste Art und Weise, der Chor strahlt mit den Solistinnen um die Wette, und die Orgel gibt dem Ganzen den letzten Kick auf dem Weg zum Urteil, hier gerade etwas ganz Besonderes gehört zu haben. Selbst wenn man die kleinen Problemfälle im Verlaufe der Sinfonie nicht ausblenden darf (aber auch nicht überbewerten), hat hier ein strukturell vergleichsweise kleiner Klangkörper eine riesige Leistung vollbracht, die ihm die Großen erstmal nachmachen müssen.



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