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Mnozil Brass   06.06.2016   Leipzig, Gewandhaus
von rls

Elfeinhalb Jahre zuvor hatten Mnozil Brass schon einmal unter Anwesenheit des Rezensenten in Leipzig gespielt, damals im UT Connewitz. Nun gastieren sie abermals in der Messestadt, diesmal aber im Gewandhaus. Wer Bedenken bezüglich des Füllstandes gehegt haben mag, sieht sich in allen Komponenten beruhigt: Das Haus ist zwar keineswegs ausverkauft, aber in Parkett und hinteren Emporen gut gefüllt (die Orchesteremporen und die Orgelempore bleiben leer), und die sieben Blechbläser wirken auf der riesigen Bühne, die eine 20mal größere Musikschar zu beherbergen imstande ist, auch nicht verloren (dieser Eindruck konnte zu Beginn entstehen, da nur sieben leere Stühle auf der Bühne standen), da sie auf geschickte Weise die Bühnenbreite und teilweise auch -tiefe für ihre Showelemente nutzen. Hat man sich außerdem ein, zwei Nummern lang in die Musik eingehört, so wird auch klar, daß die sieben Musiker auch den riesigen Schallraum des Gewandhauses akustisch zu füllen und bedarfsweise sogar zu überfüllen in der Lage sind (es geht phasenweise mal wieder äußerst laut zu).
"Yes Yes Yes!" heißt die aktuelle CD von Mnozil Brass, auf der in bekannter Weise ein Mix aus Eigenkompositionen und Arrangements mehr oder weniger bekannter Nummern aus der ganzen Musikwelt für eine bis zu siebenköpfige Blechbläserbesetzung steht. Erwartungsgemäß bildet das Material des Silberlings dann auch das Gerüst für die reichlich zweistündige Show, allerdings durchaus gewissen Wandlungen beispielsweise in der Zusammensetzung des Achtziger-Pop-Medleys unterzogen, das an diesem Abend u.a. aus "Take On Me" und "Don't Worry Be Happy" besteht, wobei das Publikum in letzterem fleißig mitschnipst und spätestens hier auch klar wird, daß trotz eines Ersatztubisten (der Stammtieftöner gönnt sich derzeit ein Sabbatjahr) ein exzellent aufeinander eingespieltes Ensemble auf der Bühne steht, das auch schwierige Effekte wie die Simulation eines plötzlich langsamer zu drehen beginnenden Plattenspielers problemlos aus den Instrumenten holt. Die Kreativität der Arrangeure bricht sich in den absonderlichsten, aber irgendwie doch wieder genialen Ideen Bahn, wenn etwa die eine Hälfte der Truppe die Marseillaise, die andere Hälfte aber "Rudolph, The Red-Nosed Reindeer" spielt und wüster Lärm entsteht, aus dem sich aber doch wieder eine Struktur und Harmonie zu schälen beginnt. Zum absurden Bild paßt perfekt, daß Thomas Gansch die (wenigen) Moderationen allesamt in einem barbarischen Spanisch hält (passend dazu gibt's die Eigenkomposition "Espana" im zweiten Set) und viele Nummern schauspielerisch unterstrichen oder auch konterkariert werden (nicht alle - Aram Chatschaturjans "Spartacus"-Trauermusik etwa kommt ohne nonmusikalische Zutaten aus), die von einzelnen Mitgliedern bisweilen ohne, bisweilen aber auch mit Instrumenten umgesetzt werden. Daß das Septett auch aus erstklassigen Sängern besteht, unterstreicht Dvoráks "Eine kleine Frühlingsweise" in einer A-Cappella-Version, mit der die Truppe bedenkenlos acht Tage vorher beim Grande Finale des A-Cappella-Festivals an gleicher Stelle hätte auftreten können. Aber der Fokus liegt natürlich auf dem Blech, und da ist den sieben Österreichern bekanntlich kaum etwas heilig - wenn die barbarospanische Rede zur Lage der Nation in einem Weinanfall Ganschs endet, spielen die anderen eben einen klassischen Trauermarsch, und wenn Strauss' "Zarathustra"-Beginn samt Kubrick-"Odyssee"-Schauspiel eine musikalische Zutat in Gestalt elektronischer Weltraumgeräuscherzeugung verlangt, dann bekommt er die natürlich auch spendiert, zur allgemeinen Freude des Publikums, das seinerseits reichlich Applaus spendet, und das bis zum Schluß. Dieses Geräusch kann aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, daß Mnozil Brass gegen Ende des Hauptsets der Drive im Programm verlorengeht: Sie nehmen das Tempo heraus und finden es bis einschließlich der letzten Zugabe nicht mehr wieder, so daß dieser hintere Teil bis auf das Tubasolo in der ersten Zugabe und das zirkusreife, aber auch viel zu langatmig eingeleitete Kunststück Leonhard Pauls, der mit den Händen und Füßen vier ihm von seinen Kollegen hingehaltene Instrumente (zwei Trompeten und zwei Zugposaunen) gleichzeitig zu spielen imstande ist, sich irgendwie nur noch dahinschleppt, was 2004 mit der meisterlichen Umsetzung von "Bohemian Rhapsody" im letzten Zugabenblock dramaturgisch deutlich besser gelöst war. Große Teile der Anwesenden sehen den beschriebenen Fakt allerdings nicht als Problem an und ziehen nach reichlich zwei Stunden überwiegend musikalisch wie humoristisch hochklassiger Blechbläsermusik zufrieden von dannen.



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